„Wieso ständiges Essen uns krank und fett und intermittierendes Fasten uns gesund und schlank macht.“
So und so ähnlich preisen Fitness- und Lifestyle Blogs und Magazine die Vorteile von intermittierendem Fasten an. Doch während sich die Gesundheits-Jünger um diese Form des Langzeitfastens scharen und mit den Paleo-Anhängern und Team Vegan debattieren, was denn nun der gesündeste Lebensstil ist und wie man Bulletproof Coffee am besten zubereitet, höre ich über meinen Blog auch ganz andere Stimmen.
Stimmen, die zeigen, dass dieser ständige Hype ums Essen schnell auch Unsicherheit und Selbstvorwürfe mit sich bringen kann, wenn man es mal nicht schafft eisern zu bleiben. Und schlimmstenfalls auch Essstörungen, wie Bulimie und Magersucht.
„Wenn ich beim Essen mal sündige, springt das Gewicht direkt nach oben… dann krieg ich Panik und faste. Das ist ein Teufelskreis.“
„Auf meine Ernährung achte ich schon sehr, in dem Sinne, dass ich auch schon mal Diät mache, wenn ein ‚Ausreißer-Tag‘ dabei war.“
„Manchmal esse ich total viel, bis mir fast schlecht ist, und dann wieder stundenlang gar nichts.“
Essen… Freund und Feind zugleich
Essen ist für viele Freund und Feind zugleich. Ständig kämpft man damit, seine Gelüste ob des unendlich verfügbaren Essensangebots zu zügeln. Dabei wird Disziplin als gut bewertet und Schwach-werden als schlecht; ein Verhalten, das bestraft werden muss. Ich weiß wovon ich hier schreibe, ähnliche Gedanken habe und hatte ich auch.
Abgesehen von den inneren Kämpfen die hier ausgetragen werden zum Thema Gewicht, kommt aber leider noch ein weiterer Punkt dazu: Die 3 Mädels aus den Zitaten sind nämlich alle von Amenorrhö oder unregelmäßigen Zyklen betroffen.
Deswegen habe ich mir die Frage gestellt:
Können diese „Bestrafungen“, also Crash-Diät um „Ausreißer“-Tage auszugleichen oder stundenlanges Fasten, eventuell Amenorrhö und Zyklusbeschwerden begünstigen?
Und, wie sieht es mit Fasten aus:
Ist intermittierendes Fasten überhaupt gesund für uns Frauen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Aber zunächst mal:
Was ist überhaupt intermittierendes Fasten?
Jünger, schlanker, gesünder – intermittierendes Fasten (auch Intervallfasten) verspricht eine Reihe von Vorteilen. Dazu gehören: Essen ohne zuzunehmen, weniger Entzündungsreaktionen im Körper und sogar eine verlängerte Lebenszeit (zumindest hat das in Tests bei Hefezellen und Mäusen funktioniert).
Intermittierendes Fasten hat wie der Name schon sagt mit Fasten zu tun und zwar handelt es sich um eine Art des Langzeitfastens. Dabei wird entweder an bestimmten Tagen komplett oder teilweise auf die Nahrungsaufnahme verzichtet.
Wie funktioniert intermittierendes Fasten?
Am bekanntesten sind diese 3 Formen des intermittierenden Fastens:
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Fasten, in einem bestimmten Zeitfenster (z.B. 14:10 / 16:8 / 20:4)
16:8 bedeutet dann, dass innerhalb eines Tages an 16h nichts gegessen wird, wobei in den übrigen 8h darf normal geschlemmt werden darf. Mit 20:4 ist die auch als „Warrior Diät“ bekannte Variante wohl die extremste Form: hier wird jeden Tag nur in einem Zeitfenster von 4h meist nur eine seeeehr große Mahlzeit verzehrt. Die Idee ist, dass ja auch unsere Vorfahren bei der Mammutjagd nicht den Luxus von 3 Mahlzeiten inkl. Dessert am Tag hatten, sondern, dass gegessen wurde, wenn etwas da war. -
Das 5:2 Fasten
Hier wird an 5 Tagen in der Woche normal gegessen und an 2 Tagen gefastet. -
Die „alle-2-Tage“ Diät (alternierendes Fasten)
Hier macht man wie der Name schon sagt alle 2-Tage Diät – einen Tag isst man normal, einen Tag wird gefastet.
Bei allen Varianten gilt: Während den Fastenphasen sind nur Wasser oder ungesüßte Getränke wie Kaffee oder Tee erlaubt. Hauptsache, die Getränke haben keine oder nur sehr wenige Kalorien. So holt sich der Körper in dieser Zeit alles, was er braucht, aus seinen Reserven[3].
Der Körper holt sich während der Fastenzeiten alles was er braucht aus seinen Reserven.
Aus seinen Reserven? Genau hier liegt nämlich der Hund begraben. Durch die Fastenzeiten schaltet unser Organismus um auf „katabol“ – die benötigte Energie wird so gewonnen aus unseren Muskeln und Körperfettreserven. Einen kleinen Exkurs zum Thema anabol und katabol findest du in der Info-Box.
Intermittierendes Fasten – Kritik
Für viele Menschen ist das Ziel von intermittierendem Fasten: abzunehmen und Körperfett zu verlieren. Aaaaber, was für viele sicherlich der richtige und gesündeste Weg ist, ist nicht für ALLE der richtige und gesündeste Weg. Für Schwangere und Stillende zum Beispiel. Und, für Mädels mit (hypothalamischer) Amenorrhö.
Bist du von unregelmäßigen oder ausbleibenden Perioden betroffen, mach dich bitte bitte nicht daran deinen Körperfettanteil zu bekämpfen. Eine Studie der University of Copenhagen zeigt wieso. Ich nenne sie mal:
„Die Perioden-Studie“
Die „Perioden-Studie“ heißt eigentlich „Within-day energy deficiency and reproductive function in female endurance athletes [1]“ und wurde im November 2017 von der University of Copenhagen veröffentlicht.
Das skandinavische Forscherteam stellte darin die Ergebnisse einer Studie mit 25 professionellen Ausdauersportlerinnen vor, von denen 10 normale Perioden hatten und 15 von „menstruellen Dysfunktionen“ betroffen waren (also Symptome wie unregelmäßige oder ausbleibende Perioden aufwiesen). 11 der 15 Mädels hatten Amenorrhö.
Das spannende an der Situation war, dass die Athletinnen fast gar keine Unterschiede aufwiesen in Alter, Größe, Gewicht oder BMI. Die Mädels waren im Schnitt 26,6 Jahre alt, 1,70m groß und besaßen einen BMI von 20,6.
Doch einen offensichtlichen Unterschied gab es: Die einen hatten ihre Perioden, die anderen nicht. Was war anders? Zwei Punkte springen ins Auge:
1. Der Körperfettanteil – 19 ist die magische Zahl
Beide Gruppen haben einen BMI über 20 (20,6 vs. 20,2), wobei das Team ausbleibende Periode einen niedrigeren Körperfettanteil aufwies als die Gruppe mit normalen Perioden (18,6% vs. 19,8%).
Wie ich auch in meinem Buch schreibe: 19 scheint in Bezug auf Amenorrhö die magische Zahl zu sein, denn sowohl ein BMI von >19, als auch ein Körperfettanteil von >19% bilden meiner Recherche nach die Rahmenbedingungen für einen gesunden weiblichen Zyklus.
Genauso wie ein zu hoher, ist ein zu geringer Körperfettanteil (vor allem bei Frauen) nicht gesund. Bist du also von Amenorrhö oder unregelmäßigen Perioden betroffen und möchtest wieder zurück zu einem gesunden Zyklus finden, dann sollte dein Körperfettanteil idealerweise irgendetwas zwischen 20-25% betragen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel 😉
2. Das Kalorien-Defizit während des Tages
Die Forscher untersuchten sowohl die Gesamt-Energiebilanz der Athletinnen, sowie die Energie-Bilanz pro Stunde während des Tages. Interessanterweise war die Gesamt-Energiebilanz bei beiden Gruppen gleich, es wurde also von allen Sportlerinnen gleich viel Energie aufgenommen wie verbrannt. Jedoch wies Team Amenorrhö während des Tages ein deutlich größeres und längeres Kalorien-Defizit auf als die Gruppe mit normalen Perioden. Die Mädels ohne Periode verbrachten also eine höhere Anzahl an Stunden in einem katabolen Zustand.
Die Forscher folgerten: Je mehr Stunden wir Frauen am Tag in einer negativen Energiebilanz verbringen, desto höher wird unser Cortisol-Spiegel (das Stress-Hormon), und desto niedriger werden unsere RMR- (resting metabolic rate), T3- und Östrogenwerte.
Kurz: Je länger und weiter wir im negativen Kalorien-Bereich liegen, desto schlechter ist das für unsere Hormon-Produktion
Intermittierendes Fasten und Hormone
Unser Hormonsystem ist eng mit unserem Stoffwechsel verbunden. Wird in den Stoffwechsel eingegriffen, so kann unsere Hormonbalance gestört werden, was Folgen für unsere Fruchtbarkeit mit sich bringen kann.
Ein solcher Eingriff kann der Entzug von Nahrung sein, denn unsere Ernährung ist eine wichtige Stellschraube in diesem Hormon-Stoffwechsel-System. Bekommen wir zu wenig Energie und Nährstoffe, die wir brauchen, wie es beispielsweise beim Fasten der Fall sein kann, bedeutet das Stress für den Körper.
Bereits kurzzeitiges Fasten von nur 3 Tagen soll die hormonellen Impulse bei manchen Frauen verändern können. Die Folge: ein niedriger Östrogenspiegel, der sich in Schlaflosigkeit, Verstimmungen, Stoffwechselstörungen, geschwächten Knochen und eben auch in ausbleibenden oder unregelmäßigen Perioden äußern kann[4].
Bringt intermittierendes Fasten unser Hormonsystem durcheinander?
Heißt das nun, das intermittierendes Fasten unser Hormonsystem durcheinanderbringt und für Amenorrhö und Unfruchtbarkeit verantwortlich ist?
DAS möchte ich so nicht sagen. Eher: es kommt darauf an…
(Bloß nicht festnageln lassen ;))
Fakt ist jedoch, dass wir Frauen ein sehr ausgeklügeltes Hormon-Stoffwechsel-System haben, das leicht gestört werden kann. Und, dass Diäten, die nicht ausreichend Energie und Proteine liefern, sich negativ auf unsere Fruchtbarkeit auswirken können. Dazu kann auch intermittierendes Fasten gehören, wenn man nicht richtig plant.
Um gesund, jung und fruchtbar zu sein brauchen wir v.a. zweierlei: Östrogen und Aminosäuren[4] (die wir durch eine proteinreiche Ernährung bekommen) – und zwar in einer stetigen Versorgung, nicht so binge-eating-mäßig wie bei der Warrior Diät. Die können wir gerne der Männerwelt überlassen.
Wir Mädels waren schließlich damals die Sammler und konnten den ganzen Tag über Beeren und Nüsse snacken 😉
Für wen ist intermittierendes Fasten nicht geeignet?
Meiner Meinung nach ist intermittierendes Fasten nicht geeignet für junge Frauen mit hormonellen Dysbalancen (z.B. zu niedrigen Östrogenwerten), für Frauen, die sowieso schon etwas zu wenig auf den Rippen haben, für Frauen mit Amenorrhö und für Frauen in der Schwangerschaft / in der Stillzeit.
Wir brauchen Energie, und zwar in konstanter Zufuhr, sonst denkt unser Körper, dass wir uns in einer Hungersnot befänden. Zack – Periode weg. Denn, wie soll ein Körper, der selbst schon kaum genug hat, noch ein Embryo mitversorgen? Mädels mit Amenorrhö würde ich erstmal empfehlen, auf einen Körperfettanteil von 20-25% zu kommen und regelmäßig zu essen.
Ansonsten gilt natürlich: Erlaubt ist, was gefällt und uns guttut. Wir alle sollten unsere Körper lieben, auf ihre Signale achten und nicht zu streng mit uns sein. Macht auch mehr Spaß 😉
Lass es dir gut gehen!
Deine Insa
„All women of reproductive age, whether an athlete or not, should have regular periods, otherwise there are potential serious health and performance sequelae. However, studies in both the USA and Australia have revealed that the majority of young exercising women are not aware of the link between menstrual disruption and deleterious, potentially irreversible effects on bone health.“ [1]
[1] Die "Perioden Studie": Fahrenholtz, I., Sjödin, A., Benardot, D., Tornberg, Å., Skouby, S., Faber, J., Sundgot-Borgen, J. and Melin, A. (2018). Within-day energy deficiency and reproductive function in female endurance athletes. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports. Andere Quellen: 1_http://www.foodandsport.com/uploads/3/4/3/1/34318145/fahrenholtz_et_al_scand_j_med_sci_sports_2018.pdf 2_https://www.fitnessmagnet.com/anabol-katabol-antikatabol/ 3_https://www.fitforfun.de/abnehmen/diaeten/intermittierendes-fasten-abnehmen-durch-teilzeit-fasten-168027.html 4_http://paleolifestyle.de/gesundheit/wie-gesund-fasten-fuer-frauen/
4 Kommentare
Interessante Studie, werde ich nochmal im Gesamten lesen.
Ich kämpfe nach Diät und Hormonspirale inzwischen seit knapp 2 Jahren mit Amenorrhoe. Die Recherche auf deinem Blog und im EBook hat mir gezeigt, dass ich noch viel zu tun habe.
Danke für die tollen Inhalte.
Danke für deine liebe Nachricht, sehr sehr gerne! Bleib dran, es lohnt sich, denn die Amenorrhö ist einfach nur ein Zeichen deines Körpers, dass gerade etwas nicht 100% in Balance ist. Alles Liebe und frohes Genesen ❤️
Ich bin sehr dankbar für deinen wertvollen Blog! Ich mache mit ein paar Ausnahmen seit etwa 2 Jahren intermittierendes Fasten (16:8) – seit 7,5 Jahren besteht meine Amenorrhoe (ich bin 37). Da ich auch Hashimoto habe und IF ja gut gegen Entzündungsprozesse ist, hielt ich das immer für eine gute Sache. Aber ich erkenne mich auch sehr wieder im emotionalen Hin und Her rund ums Essen und werde es jetzt mal ganz anders angehen, um den Blutzucker zu stabilisieren.
Nochmals tausend Dank für deine Arbeit!!
TOP Artikel! Ich bin schon wegen Amenorrhoe in Behandlung und nachdem ich meine Gewichtsabnahme bereits vor einigen Monaten „beendet“ habe (ich bin bei BMI 21) wollte sich die Periode trotzdem nicht einstellen. Mein Östrogenspiegel ist zu niedrig und meine Ärztin möchte mir jetzt dauerhaft die Pille verschreiben…
Das intermittierende Fasten, das ich ungefähr als 14:10 betreibe, nicht unbedingt geplant sondern einfach weil es gut passt, hatte ich bisher nicht so auf dem Schirm! Danke für die Anregungen, an welchen Stellen ich noch Dinge testen kann, anstatt auf künstliche Hormone zurückzugreifen.