Das Weibliche und das Männliche. Das Weiche und das Harte. Yin und Yang. Ehrlich gesagt habe ich mich bis vor Kurzem nie richtig damit auseinandergesetzt, was Weiblichkeit überhaupt bedeutet. Also: Was bedeutet eigentlich Weiblichkeit?
Google liefert einem eine recht sterile Definition:
Die Frau als Eierproduktionsmaschine. Da frage ich mich: Ist man weniger weiblich, wenn man unter Amenorrhö leidet, denn da fällt ja dann der Eisprung-Teil weg? Oder wenn man in die Menopause kommt? Bei der sekundären Amenorrhö, also dem längerfristigen Aussetzen der Periode, lautet meine Antwort: Vielleicht.
Das Weibliche und das Männliche
Für mich war mein Frau-Sein lange nur ein Demographie-Merkmal, so wie Beziehungsstatus, Wohnort oder höchster Bildungsabschluss. Dabei nahm ich weder das Männliche noch das Weibliche Prinzip besonders wahr. In der Schule, in der Uni, im Job, in meinem Freundes- und Familienkreis und auch in meiner letzten Beziehung – ich lebte die Gleichheit und war mir der Unterschiede zwischen mir und meinen männlichen Weggefährten kaum bewusst.
Kurz um das ganz klar zu stellen: Männer und Frauen sind natürlich grundsätzlich gleichberechtigt bzw. sollten es sein. Equal pay, yes! Gleiche Aufstiegschancen, unbedingt! Wenn ich von Unterschieden spreche meine ich hauptsächlich die Polaritäten des Männlichen und des Weiblichen in Paarbeziehungen. Wie anziehend diese Polarität des Weiblichen und des Männlichen ist, ist mir erst richtig bewusst geworden durch die Beziehung zu meinem neuen Freund. Durch ihn habe ich gelernt, dass ich nicht immer die Starke sein muss. Dass ich auch mal loslassen und mich fallen lassen kann. Auf mein Herz hören, meine Intuition und mein Bauchgefühl.
Hart und herzlos?
Durch meine Amenorrhö kam ich irgendwann an einen Punkt, wo sich mir eine Frage brennend aufdrängte:
Hat mein Streben nach Erfolg in der heutigen geradlinigen Leistungsgesellschaft dazu geführt, dass ich den Bezug zu meinem Körper und meiner Gefühlswelt verloren habe?
Viele Frauen leiden heutzutage unter den vielen Rollen, die sie einnehmen sollen. Sie wollen nicht nur die beste Partnerin, Mutter, Freundin, Tochter und Nachbarin sein, sondern auch eine toughe und unabhängige Karrierefrau. Tough ja, aber bitte mit Zuckerguss. Sonst gilt man schnell als unnahbarer „Girlboss“.
Geburtstag? Natürlich wird dann nachts noch schnell ein zucker- und glutenfreier Apfelkuchen gebacken für den nächsten Arbeitstag. Welcher Mann würde auf die Idee kommen?
Mein Streben nach einer erfolgreichen Karriere war dabei immer getrieben von meinem Wunsch nach Sicherheit und totaler Unabhängigkeit. Grund dafür war wohl hauptsächlich die gescheiterte Beziehung meiner Eltern, bei der meine Mama über Jahre hinweg über ihr Unglücklichsein aufgrund der vermeintlichen Sicherheit, die ihre Ehe ihr bot, hinwegsah. Für mich war klar: Das will ich nicht. Ich wollte mich immer aus freien Stücken für meinen Partner entscheiden können und nicht aus irgendeinem materiellen Zwang heraus zum Bleiben verdammt sein.
Hauptsache unabhängig
Mein erklärtes Ziel wurde es daher, alles allein zu können: selbst für meinen Lebensunterhalt zu sorgen, Versicherungen abzuschließen, meine Steuererklärung zu machen und Löcher zu bohren. Schulter an Schulter mit meinen männlichen Weggefährten strebte ich nach dem immer nächsten Schritt auf der Karriereleiter. Immer höher und weiter… von mir weg. Und auch in meiner letzten Beziehung war ich diejenige, die den Werkzeugkoffer mit in den gemeinsamen Haushalt brachte.
Zusätzlich zu meiner eigenen Story und dem Streben nach Unabhängigkeit, spielen auch hormonelle Verhütungsmittel eine Rolle dabei, unsere Weiblichkeit zu unterdrücken. Nicht nur gegen ungewollte Schwangerschaften wird die Pille verschrieben, sondern auch gegen schlechte Haut oder Menstruationsbeschwerden. Doch was Pille und andere hormonelle Verhütungsmittel eigentlich für Auswirkungen auf unseren Körper haben, wird von den meisten Frauen – mich lange Zeit miteingeschlossen – ignoriert. Die vermeintlichen Vorteile sind einfach zu verlockend. Mehr dazu hier: Was die Pille mit uns macht.
Die neue Weiblichkeit!
Nach dem Absetzen des NuvaRings im März 2016 merkte ich erst einmal unter welcher emotionalen Taucherglocke ich gelebt hatte. Wie schon im Artikel Aktiv gegen Amenorrhö beschrieben, fühlte ich mich ohne hormonelle Verhütungsmittel viel lebendiger als vorher. Ich hatte wieder mehr Lust auf Sex, hörte mehr Musik, ging mehr aus, nahm das Leben wieder in all seinen Farben war. Mit Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen.
Im Nachhinein würde ich das Absetzen des NuvaRings als ersten Schritt auf dem Weg zu meiner neuen Weiblichkeit bezeichnen. Es folgten die Trennung von meinem langjährigen Freund 3 Monate später, die Wiederum eine Kettenreaktion verschiedener anderer fundamentaler Entscheidungen und Veränderungen in meinem Leben auslöste, zum Beispiel meinen Umzug von Köln nach Berlin sowie einen Jobwechsel dieses Jahr. Zudem habe ich angefangen zu surfen und Longboard zu fahren. Und durchs Surfen habe ich meinen neuen Freund kennengelernt.
Mein Bruder hat mir schon eine Quarter-Life Crisis unterstellt;)
Seit ich nun mehr auf mich und meine Balance achte und mit TCM und bestimmten Yoga-Übungen begonnen habe, hat das Erleben von Emotionen nochmal mehr zugenommen. Auch AcroYoga hat mir dabei aus sportlicher Sicht geholfen – eine Mischung aus Akrobatik und Yoga, die man mit einem Partner ausführt. Davon berichtet auch die liebe (Acro)Yoga-Lehrerin Angélique Wickersheimer in unserem Gespräch.
Meine Amenorrhö hat mir gezeigt, dass ich lange Zeit nicht im Einklang mit mir selbst gelebt habe. Mittlerweile fühle ich mich mehr bei mir angekommen und versuche jedes Hoch und Tief zuzulassen, denn das zeigt ja, dass ich lebendig bin. Ich bin liebevoller geworden, höre mehr auf meine Intuition und meine innere Stimme und weniger auf meinen Verstand. Ich liebe und lebe meine neue Weiblichkeit. (Mit-)Gefühl, Kreativität, Ausdruck, Wärme, Schönheit, Verletzlichkeit, Leidenschaft – all diese wunderbaren weiblichen Qualitäten gehören wertgeschätzt und herausgetragen in die Welt! Für diese Erkenntnis bin ich meiner Krankheit dankbar – wahrscheinlich musste ich das durch „sie“ lernen.
Sensitivity is a sign of life. Better hurt than hardened. (Jeff Brown)
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