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  • Amenorrhö & Hormonbalance

    Was ich von meiner Laufverletzung fürs Leben gelernt habe

    Wenn Laufen krank macht – meine Verletzung und was ich daraus gelernt habe

    Ich bin heute 10 Kilometer gelaufen und hab mich darüber gefreut wie ein Schnitzel. Denn es waren meine ersten 10 Kilometer seit Juli … dabei war ich im April doch erst den Halbmarathon in einer mega Bestzeit von 1:34:58 Stunden gelaufen. Was war passiert?

    2020 sollte mein Laufjahr werden. Ich wollte sehen, wie viel ich auf gesunde Art und Weise trainieren konnte. Damit meinte ich in erster Linie: wie viel Sport konnte ich machen, ohne meine Periode zu verlieren und wieder in eine Amenorrhö abzurutschen?

    Am Ende lernte ich, wie weit ich gehen kann. Ich stieß ich an eine Grenze, jedoch machte mir nicht die Amenorrhö einen Strich durch die Rechnung, sondern eine Verletzung im Fuß. Überlastung. Doch von vorne.

    Meine Laufziele 2020

    Was suchte ich beim Laufen? Verschiedenes. Zunächst einmal wollte ich mir beweisen, dass ich wieder komplett gesund bin nach der MS-Diagnose 2018, die sich inzwischen schon fast wie aus einem anderen Leben anfühlt, Gott sei Dank. Das Laufen erschien mir ideal dafür. Zunächst einmal, da es das Gegenteil von dem verkörpert, wofür MS steht, nämlich Lähmung, Rollstuhl, Rückschritt.

    Das Laufen war für mich der größte Mittelfinger, den ich mir nur vorstellen konnte gegen die Diagnose, gegen meine Machtlosigkeit, gegen das Gefühl von Krankheit. Und es funktionierte!

    Zudem wollte ich zeigen, dass man tatsächlich trotz eines hohen Sportpensums seine Periode behalten kann, denn davon bin ich überzeugt. Wenn man denn durch ausreichend Entspannung und die richtige Ernährung (in erster Linie eine ausreichende Ernährung) den entsprechenden Ausgleich schafft.

    Meine Laufhistorie

    Laufen war schon immer ein Teil von mir. In meiner Jugend als Leichtathletin, später als ambitionierte Hobby-Joggerin neben Studium und Job. Doch beim Sport fällt es mir manchmal schwer, das richtige Maß zu finden, wie ich hier schreibe.

    Durch meine Amenorrhö-Heilungszeit pausierte ich das Laufen für eine Zeit, eineinhalb Jahre ging ich nur wenig (bis 30 Minuten) und ohne Tracker laufen. Easy breeezy. Um mein Recovery-Sportprogramm, das aus lockeren Läufen, Yoga und Hormonyoga bestand, geht es auch in meinem Amenorrhö Buch „Happy Periods. Zurück zum Zyklus in 10 Schritten.“

    Nachdem ich meine Periode wiederbekommen hatte, fing ich 2019 wieder an mit dem Laufen. Und war direkt wieder so hooked!! Im Herbst kaufte ich mir eine neue schicke Sportuhr von Garmin. Woche um Woche steigerte ich meine Kilometer und fand tolle Sportfreund*innen. Ich wurde schneller und fühlte mich gesund und leistungsfähig, was mir enorm viel innere Stärke verlieh und wohl auch weiterhin zu meiner Heilung und Gesundheit beigetragen hat.

    Zudem ist die Natur einfach so regenerativ für mich; ich liebe es einfach, draußen zu sein, durch die Bewegung meinen Körper zu spüren, frische Luft in meine Lungen zu saugen, die Haut mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt, im Ohr entweder einen guten Techno-Mix oder einen inspirierenden Talk von YouTube (Impact Theory!). Ich liebe das Gefühl danach, wenn das Herz klopfend heißes Blut durch die Adern pumpt. Ich glaube jede*r Läufer*in weiß, wovon ich spreche. Es ist einfach die Verkörperung von Lebendigkeit.

    Laufcommunity Hasenheide Berlin
    7. März 2020, der letzte offizielle Lauf vor dem Corona-Lockdown: 5k in der Hasenheide Berlin

    Frühling

    Anfang des Jahres setzte ich mir einige ambitionierte Ziele. Eines davon erreichte ich im April: Ich lief den Halbmarathon unter 1:35h und steigerte damit meine vorherige Bestzeit (von vor meiner MS-Diagnose) um fast 20 Minuten. Bäm! Über diese Lauf-Erfahrung zu Coronazeiten habe ich auch in meiner Fit For Fun Kolumne berichtet. Doch als kompetitiver Mensch wollte ich mehr.

    Nächstes Level: Laufverein

    Kurz nach meinem Halbmarathon-Erfolg im April begann ich beim Berlin Track Club, kurz: BTC, zu trainieren. Wow, was für eine Ehre. Fast jede*r in der Berliner Läufer*innen Szene kennt den Verein und weiß, dass man da nicht einfach so reinkommt. Der BTC ist, oder war zumindest, eine kleine elitäre Lauf-Gruppe mit richtig schnellen Läufer*innen. Läufer*innen, die an Wettkämpfen teilnehmen und Pokale gewinnen.

    Meine Aufnahme beim BTC war ein weiterer Schritt auf meiner Mission, mir selbst zu zeigen, dass ich es (noch) draufhabe. Dass ich stark, gesund und schnell genug bin. Und es funktionierte. Anfangs zumindest. Ich hielt mit und sicherte mir einen festen Platz im Team. Tatsächlich gehörte ich sogar zu den Schnelleren unter den Mädels, vor allem beim Sprinten, auch früher meine Königsdisziplin. Was für ein Ego-Pusher!

    Mein erstes Rennen. Meine Mama dazu: „Das sieht nicht nach Spaß aus, warum tust du dir das an?“. Foto: Florian Kurrasch

    Aus viel wurde zu viel

    Schon in der ersten Woche standen sieben Sessions auf meinem Trainingsplan. Intervalle am Mittwoch und Samstag, ein Longrun von 15-20 Kilometern am Sonntag und dazwischen „Easy Runs“ von 50 Minuten plus Athletiktraining. Puh. Am Samstag kroch ich nach 8x800m auf dem Zahnfleisch daher. Ich war einfach nur kaputt.

    Ein bisschen erinnerte mich das Ganze an meine erste Woche als Praktikantin bei Roland Berger (einer großen Unternehmensberatung) vor einigen Jahren. Die Arbeitstage von 9 – 23 Uhr unter enormen Druck laugten mich so aus, dass ich bereits in der ersten Woche schluchzend bei meinem Mitbewohner im Zimmer saß. Doch ich dachte, das muss so, ich gewöhne mich da schon dran. Und tatsächlich finde ich es auch immer wieder schwierig zu wissen, wann es wirklich zu viel ist und wann man Dinge einfach nur abbrechen möchte, weil man Angst hat nicht gut genug zu sein o.ä.

    So war es auch beim BTC; ich versprach mir und meinem Freund, es zumindest zwei, drei Monate durchzuziehen und zu schauen, ob ich mich an das Pensum gewöhne. Ich tat es nicht.

    Juli

    Ich lief und lief und lief. Während Corona war mir das auch ganz recht, das Laufen gab mir Struktur sowie einen Anlass, regelmäßig raus zu gehen. Mein Instagram-Kanal füllte sich mit Laufbildern, mein Kleiderschrank mit Laufklamotten.

    Eine Fußverletzung ließ mich schließlich innehalten und im dritten Monat mein Training beim BTC wirklich hinterfragen. Natürlich der Fuß, dachte ich ein wenig amüsiert, besser hätte mich mein Körper nicht ausbremsen können!

    Laufen und Amenorrhoe
    Foto: Florian Kurrasch

    Zu lange ignorierte ich das Ganze, wie auch bei meiner Amenorrhö, und trainierte weiter, doch die Schmerzen wurden schlimmer. Der Protest meines Körpers gegen das Training wurde lauter.

    Schließich ging ich zum Arzt. Der stellte fest, dass bei mir eine Stelle zwischen Fersenknochen und Plantarfaszie entzündet war, Diagnose: Überreizung. Therapie: Entzündungsblocker in Tablettenform und Pause.

    Ich erkannte, dass das Training, so wie es ist – konzipiert von Männern – mir nicht dient. Zudem fühlte ich mich von den vielen Probewettkämpfen unter Druck gesetzt. Mein ursprüngliches Ziel, mir zu zeigen, wie gesund und stark ich bin, richtete sich gegen mich. I created a monster.

    Zurück zu einer gesunden Mitte

    Ich bin dankbar für die Erfahrung beim BTC. Doch ich weiß inzwischen wieder, dass ich gesund bin und stark, dass mich nichts aufhalten kann. Das muss ich mir nicht durch Testrennen & Co. beweisen.

    Meine Konsequenz: Ich trat aus dem Laufverein aus und machte erstmal eine radikale Laufpause. „Ich möchte das Laufen wieder für mich zurück“, schrieb ich meinen Teamkolleg*innen. „Als Ausgleich. Als Hobby. Als Teamsport. Nicht als Wettkampf. Ich möchte Leichtigkeit und Freude, keinen Schmerz. Ich möchte, dass das Laufen mir dient, dass ich laufe um zu leben und nicht lebe um zu laufen.“ Und weiter:

    Der Sport soll zu meiner Gesundheit beitragen und mich nicht auslaugen und krank machen.

    Fast 2 Monate hielt ich die Füße still und ließ meine Laufschuhe im Schrank stehen. Auch meine Garmin-Uhr wurde weggepackt; als ich sie neulich wieder benutzen wollte, musste ich sie unter einer Tafel Schokolade herauskramen, haha 😀

    Sportpause und die Angst vorm Zunehmen

    Während der Pause vermisste ich das Laufen, klar. Aber ich genoss auch die freigewordene Zeit und entdeckte meine Liebe zu Yoga und Pilates neu. Ich merkte, wie sehr ich diesen Mix an Sportarten vermisst hatte. Am Wochenende konnte ich nun wieder lange lesen und dabei zu viel Kaffee trinken, statt im Stadion Runden zu drehen, oder Freund*innen zum Frühstück treffen. So wie früher.

    Zugenommen habe ich nicht wirklich, vielleicht 1 Kilo. Ich weiß, dass das die Angst von vielen ist, wenn man aufhört mit Sport. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich der Körper von alleine wieder ganz gut einpendelt. Man macht weniger Sport, aber isst eben dann auch weniger.

    Mein Fazit

    Wieder mal habe ich mir bewiesen: Ich bin kein Quitter, darauf bin ich stolz. Aber ich habe auch gelernt: Ich hätte früher auf mich hören und handeln sollen, bevor mein Körper sich (wieder) wehrt. Wie bei vielem ist es eben auch beim Sport die Dosis, die das Gift macht.

    Aufzuhören mit etwas, das einem nicht dient, ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Stärke.

    Vielleicht ist ja meine Erfahrung auch eine Lehre für euch. Ich fange nun wieder an mit dem Laufen, aber ohne Stress oder Zeitziele, einfach nur aus Freude. Und ich lieb’s!!

    Love and peace,

    eure Insa

    Wieder happy mit meinem neuen Laufpensum. Manchmal ist weniger eben doch mehr.

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    3 Kommentare

  • Antworten MigratoryBird 27. September 2020 um 19:22

    Danke für deinen ehrlichen Bericht! Ich muss auch zugeben, ich bin hier bei insta entfolgt, weil mich die vielen Laufbilder getriggert haben… Jetzt freue ich mich zu lesen, dass du wieder ein liebevolles meinte zu dir selber entwickeln konntest. Das Leben ist viel zu kurz und viel zu schön, um es an irgendwelche Zwänge zu verschwenden. Ich tue es auch nicht mehr und habe 100 faches an Lebensqualität

    • Antworten Insa 27. September 2020 um 19:36

      Heeey, danke für dein liebes Feedback und ja, ich kann dich verstehen, wahrscheinlich hätte ich genau so gehandelt. Ich möchte das in Zukunft auch ändern und wieder etwas bunter posten – und vor allem: leben. Vielleicht magst du mir dann ja auch auf Insta wieder folgen, hihi 🙂 alles Liebe!

  • Antworten MigratoryBird 27. September 2020 um 20:19

    Ja das ist eine gute Idee, dann werde ich dir auch gerne wieder folgen!

    Sorry übrigens, ich habe zwei Tippfehler in meinem Kommentar entdeckt: Hier=dir, meinte = Mindset. 😉

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